Konmari in meinem Nähzimmer: Macht es dich glücklich?

Es wurde ein bisschen still auf meinem Blog. Ich musste Platz schaffen, im Kopf und für neue Projekte. Nachdem ich mein großes Couture Projekt abgeschlossen hatte, wollte ich etwas Neues anfangen. Allerdings wusste ich nicht so richtig was und wie. Die Gedanken ließen sich einfach nicht richtig ordnen, überall erinnerte mich noch etwas an ein abgeschlossenes Projekt oder eines, das noch gar nicht zu Ende gebracht wurde. Schlechtes Gewissen machte sich mal wieder breit. Zu viel Stoff und Material, das nicht verarbeitet und in etwas schönes verwandelt wurde.

Ich musste etwas tun. Diese Situation verändern. Unmöglich hätte ich so etwas Neues nähen können. Zu groß wäre die Wahrscheinlichkeit gewesen, dass der Materialberg auf dem Arbeitstisch nur in die Höhe wächst, statt sich die Kleiderbügel im Schrank füllen. Ein Gefühl, das sicher die ein oder andere schon einmal so erlebt hat.

 

Nähzimmer aufräumen nach der Konmari Methode

Vor einiger Zeit ist mir im Netz Marie Kondo begegnet. Vielleicht ist sie euch auch schon einmal über den Weg gelaufen. Eine kleine unscheinbare Japanerin, die sich dem Thema Aufräumen gewidmet hat. Da bin ich neugierig geworden, denn ihr Name tauchte plötzlich überall auf. Ihr Buch „Magic Cleaning“* hat es bereits auf die New York Times Bestseller Liste gebracht. Etwas musste wohl dran sein, wenn sich plötzlich so viele Menschen für dieses eigentlich eher unbeliebte Thema interessieren.

Das Buch, das ich in den Händen hielt, war in Wirklichkeit gar kein richtiges Aufräumbuch je weiter ich hineinlas. Wer die perfekte Kleinkram Aufbewahrungs-Kiste und auf eine Erlösung für das Sortieren der Stoffberge in den viel zu kleinen Schrank im Nähzimmer sucht, wird definitiv enttäuscht werden. Dafür hält Marie leider keine Lösung parat. Aber sie stellt dir eine entscheidende Frage: Macht es dich glücklich?*

Jetzt denkst du vielleicht: Wie bitte, das soll mir beim Aufräumen helfen? Ja das tut es. Um genau zu sein, bewirkt es ein kleines Wunder. Sie hilft dir, deine gesammelten Werke aus einer anderen Perspektive zu betrachten und zu überdenken, welchen Stellenwert sie in deinem Leben einnehmen.

Klingt dir zu esoterisch? Praktisch ist ihre Vorgehensweise folgende: Aufräumen funktioniert nicht nach Räumen, sondern nur nach Kategorien und die erste sind Kleidungsstücke. Das ist am einfachsten, denn hier ist die emotionale Bindung am geringsten. Man kann so schon einmal üben bevor es an die etwas schwierigeren Kategorien geht. Als nächstes sind Bücher und Dokumente dran, dann geht es an die relativ großzügig definierte Gruppe „Kleinkram“ worunter auch die Hobbies fallen und als letztes an die persönlichen Gegenstände bzw. Erinnerungsstücke.

Ich wage das Experiment und ich fange wie beschrieben mit den Kleidern an. Alles muss aus dem Schrank, wirklich ALLES! Der Schock sitzt tief, als ich so langsam alle Kleidungsstücke zusammengetragen hatte und der Berg sich immer höher türmte. Nur so werden wir uns der Dinge bewusst sagt Marie Kondo. Ohja, es sind so einige vergessene Objekte zum Vorschein gekommen.

 

Kleiderberg nach dem Aufräumen mit Marie Kondo

Nun geht es ans Ausmisten. Und zwar nicht mit der Ja-Nein-Vielleicht Methode.. viel besser. Man nimmt jedes Teil in die Hand und fragt sich, ob es mich glücklich macht oder Freude bereitet. Bei manchen Teilen ist es ganz einfach, sie zaubern sofort ein Lächeln ins Gesicht und erinnern einen an die schönen Momente, in denen man es getragen hat. Andere wiederum wandern innerhalb von wenigen Sekunden auf den Kann-weg Stapel. Schwierig wird es bei Teilen, die entweder viel gekostet haben oder noch schwieriger, viele Nähstunden hineingeflossen sind. Zwar merkt man irgendwie schon, dass dieses Teil mehr schlechtes Gewissen zaubert als Freude und Glücksgefühle. Dennoch fällt es sehr schwer. Laut Kondo sollen wir diesen Teilen unseren Respekt zollen und uns bei ihnen bedanken für die vielen Dienste danken. Auf diese Idee wäre ich im Leben nicht gekommen.

So sich von seinen Kleidern zu trennen macht einen riesigen Unterschied. Das war für mich ehrlich gesagt der einzige Weg, mich von selbstgenähten Stücken zu trennen. Einige passen einfach nicht zu mir, sind überhaupt nicht mein Stil oder passen farblich nicht zu mir. Ich habe mich bei bedankt, für all die wichtigen Dinge und Techniken, die ich beim Nähen dieser Kleidungsstücke gelernt habe.

Marie Kondos Methode ist zugegebener Maßen gewöhnungsbedürftig und mitunter sehr radikal, aber eben auch sehr effektiv. Nachdem ich mich durch die erste Kategorie Kleider gearbeitet habe, konnte ich sofort die ersten positiven Effekte spüren. Ich konnte wieder atmen und ich stand nicht mehr ratlos vor meinem Schrank, was ich denn anziehen könnte. Ich hatte ja nur noch Lieblingsteile! Diese Begeisterung hat mich ermuntert, bald die weiteren Kategorien anzugehen.

Und nun ja.. was soll ich sagen. Magic Cleaning hat auch vor dem Nähzimmer nicht Halt gemacht. Nach dem gleichen Prinzip habe ich meine Stoffberge, Kurzwaren und Nähutensilien durchkämmt. Teilweise war es sehr schmerzhaft, aber irgendwie auch schön alles Genähte anhand der übrig gebliebenen Stoffreste noch einmal Revue passieren zu lassen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, mit wie viel Stolz mich dieser Moment erfüllt hat. Es kommt doch schon einiges zusammen in den Jahren.

Je mehr ich aussortierte, desto freier wurden wieder meine Gedanken, als ob meine Kreativität einen Winterschlaf gehalten hat. Es war einfach nur befreiend mich von alten Projekten und Überresten zu trennen. Mit dem Abschied und dem Dank an die lehrreichen Lektionen, verschwand auch der heimliche Druck, doch noch etwas Sinnvolles und möglichst Kreatives daraus machen zu müssen.

 

after Konmari: Schnittmuster und Nähwerkzeuge müssen gehen

Bei den Nähhelfern sind nur noch diejenigen übrig geblieben, die ich wirklich immer benutze. So einige Wunderhelferchen mussten weg. Sei es weil sie einfach unpraktisch oder einfach in besserer Besetzung schon im Nähkorb vorhanden waren. Mit den Utensilien sind auch viele Schnittmuster und vor allem jede Menge burda style Magazine aus meinem Nähzimmer gegangen. Zwar lese ich die Zeitschrift gerne, nähe jedoch nie direkt etwas daraus. Ich suche mir die Schnitte viel lieber online heraus und nähe zu meinem Zeitpunkt. Einige wenige Lieblingsausgaben durften noch bleiben, zum Beispiel die Ausgabe 11/2012 mit Barbara Schöneberger, aus der dieses Abendkleid entstanden ist.

 

Marie Kondo: Nähzimmer aufräumen, die Nähzeitschriften

 

wenig gebrauchte Elna Excellence 680 Nähmaschine ist jetzt abzugeben

Es geht aber noch weiter. Und ich glaube, dieser Abschnitt ist wirklich nur für die Hartgesottenen. Also wenn du bei den Stoffen schon ein leichtes Herzrasen verspürt hast, solltest du diesen Abschnitt überspringen 😉 Denn jetzt geht es an die Heiligtümer – die Nähmaschinen. Und nun ja, was soll ich sagen. Meine treue Pfaff und auch die Elna-Maschine stehen noch bei mir, aber ich habe mich schon von ihnen verabschiedet.

Erstere hat mich sehr lange begleitet und war wirklich eine absolute Lieblingsmaschine. Jetzt bin ich langsam „rausgewachsen“. Sie ist mittlerweile zu langsam und bremst mich in meinem Näheifer. Die Elna-Nähmäschine* ist zwar um einiges schneller und hat neben gefühlt tausenden Stichen viele tolle Komfortfunktionen, wie automatische Nahtverriegelung und einen Fadenabschneider. Auch sie macht mich nicht glücklich. Ihr erinnert euch vielleicht, ich habe sie beim burda style Talent Wettbewerb gewonnen. Zugegebenermaßen hätte ich mich nicht von ihr verabschiedet, wenn nicht zu diesem Zeitpunkt schon die Idee von einer Industrienähmaschine in meinem Kopf gespukt hätte. Denn die Elna kann so schöne Augenknopflöcher nähen, die hätte ich damals bei meinem Mantel gebraucht.
Die Idee mit der Industrienähmaschine ist mittlerweile gereift und schon in der Umsetzung. Die Pfaff möchte ich durch eine etwas kompaktere „Reise-Nähmaschine“ mit ein paar mehr Funktionen ersetzen.

 

Die nächsten Tage werde ich wohl noch einmal mein Nähzimmer genauer unter die Lupe nehmen und die Konmari-Methode anwenden (Konmari ist Marie Kondos Spitzname). Es sind noch viele Sachen übrig geblieben. Ihr könnt euch bestimmt vorstellen, dass ich bei den Nähsachen nicht ganz so radikal vorgehen kann, wie bei anderen Kategorien. Dafür bedeutet mir dieses Hobby so viel. Ich fühle mich aber schon viel freier in meinem Nähzimmer und meine Kreativität erlebt gerade einen neuen Auftrieb. Ein schönes Gefühl!

Lieben Gruß,

* Julia

*Im Englischen: „Does it spark Joy?“ – „Bereitet es dir Freude?“ Die für mich treffendere Übersetzung und letztlich die Frage, dich ich angewandt habe. Glück wird in unserem Sprachraum oft mit einem höheren Sinn zusammengebracht und verkompliziert (zumindest für mich) die Angelegenheit nur unnötigerweise. Die Emotionen die man mit Freude verbindet sind dagegen m.E. eindeutiger.

Folge:

6 Kommentare

  1. Oktober 27, 2016 / 6:59 am

    Uh, jetzt bin ich bei der Nähmaschine echt am Schwanken, wäre mal sinnvoll, aber dann würde ich genau das Problem mit meiner alten haben, die gut näht und von der ich mich nicht trennen mag.lg aus dem Nordend, Anja

    • Oktober 27, 2016 / 7:16 am

      Hallo Anja,
      du wohnst ja fast um die Ecke oder? Komm doch auf einen Kaffee vorbei, dann kannst du mal ausprobieren, ob sie was für dich wäre 😉
      LG,
      Julia

    • Oktober 27, 2016 / 7:13 pm

      Nein, lieber nicht, sonst werde ich noch schwach und habe irgendwann auch zuviele Dinge. Ich habe die Ordnung und das aufgeräumtsein noch gut im Griff (oft schmeiße ich sogar zu schnell weg und bedaure es ein paar Jahre später, aber unsere Wohnung ist leider nicht so groß). Ich habe irgendwann mal beschlossen, nur noch zu kaufen, wenn gleichzeitig etwas altes verschwindet oder was ich wirklich dringend brauche. Ich werde deine Kleinanzeigen aber weiter beobachten…. LG Anja

  2. Oktober 27, 2016 / 7:50 pm

    Hallo Julia,
    dein Artikel hat ins Schwarze getroffen 😉
    "Macht es dich glücklich?" ist die wichtigste Frage im Leben überhaupt finde ich. Danke für den Gedankenstoff! und dass du deine Efahrung mit uns teilst.
    LG Kalangita

    • Oktober 28, 2016 / 7:39 am

      Hallo Kalangita,
      danke für den schönen Kommentar. Es freut mich, dass dieser Artikel so gut ankommt.
      LG Julia

  3. Anonym
    November 13, 2016 / 7:01 am

    Hallo Julia, ich nähe viele Jahre mit einer Industriemaschine. Meine Pfaff ist mein toller Knopflochnäher. Du wirst mit dem Industrienäher das Nähen neu lieben. Ich räume heute Jacken auf. 50 Jacken können mal wieder durchgesehen werden. Wenn ich mich von 10 trenne, hab ich wieder neue Ideen. LG Anja

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